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Unsere Geschichte


Auch wenn der Steinkohlenbergbau 2018 zu Ende gegangen ist, besteht in den ehemaligen Bergbauregionen bis heute vielerorts eine starke Verbindung zu dieser auf Kohle geborenen Ära. So hat der Ruhrbergbau in seiner über 200-jährigen Geschichte die Industrialisierung maßgeblich vorangetrieben, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen miteinander verbunden und damit einen wesentlichen Beitrag zur heutigen Identität der Region geleistet. Im Ruhrgebiet, im Saarland und in Ibbenbüren ist der Steinkohlenbergbau im kollektiven Gedächtnis verankert.


 

Abschied: Das Ende einer Ära

Vor den Augen von mehr als 500 Gästen brachten Bergleute am 21. Dezember 2018 das letzte Stück Kohle zutage. Hochrangige Vertreter aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Gewerkschaft und Gesellschaft folgten der Einladung von RAG Aktiengesellschaft und RAG-Stiftung zur zentralen Abschiedsveranstaltung für den deutschen Steinkohlenbergbau auf der Schachtanlage Franz Haniel in Bottrop. So nahmen etwa Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der damalige EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der IG-BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis gemeinsam Abschied von einer Branche, die Deutschland wie kaum ein anderer Industriezweig prägte. Mit der Stilllegung von Prosper-Haniel schloss das letzte Bergwerk des Unternehmens, das den politisch gewollten Ausstieg aus dem heimischen Steinkohlenbergbau 50 Jahre nach seiner Gründung vollziehen musste. Die Abschiedsveranstaltung markierte zwar das Ende des Steinkohlenbergbaus, nicht aber das der RAG Aktiengesellschaft, die zahlreiche Impulse lieferte – in wirtschaftlicher, technischer, sozialer und kultureller Hinsicht.



Gründung: Ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte

Nach der Währungsreform 1948 galt das Ruhrgebiet als wirtschaftliche Schlüsselregion Westdeutschlands. Der Wiederaufbau in Deutschland und Europa benötigte vor allem Kohle, Stahl und Energie, der private Konsum stieg, die Nachfrage nach Kohle aus dem Ruhrgebiet wurde von Jahr zu Jahr größer. Doch der Aufschwung hielt nicht lange an. Am 27. November 1968 wurde in Essen die damalige Ruhrkohle AG als Konsolidierungsgesellschaft der deutschen Steinkohlenbergwerke gegründet. Nach jahrelangem politischen Tauziehen gelang dieser Zusammenschluss von 19 Bergbauunternehmen mit dem Ziel, eine gesunde, wirtschaftliche und soziale Basis für den Steinkohlenbergbau sowie für die Beschäftigten der Branche zu schaffen. Mit der Unterzeichnung des Gründungsvertrags schrieben die Beteiligten ein Stück deutscher Wirtschaftsgeschichte. Den Grundstein für diese Bündelung legte das „Kohleanpassungsgesetz“ der damaligen Großen Koalition von CDU/CSU und SPD – eine Reaktion auf zehn Krisenjahre.


Die in die Ruhrkohle eingebrachten Bergwerke, Kokereien und Brikettfabriken in den Grenzen der am 27. November 1969 gegründeten sieben Betriebsführungsgesellschaften


Weil Erdöl und billige Importkohle immer stärker in den deutschen Markt drängten, brach der Absatz rapide ein und eine Welle von ersten Zechenschließungen rollte über das Land – rund 165.000 Arbeitsplätze gingen von 1957 bis 1965 auf den Ruhrzechen verloren. In Sorge um ihre Existenz gingen die Kumpel auf die Straße und mit ihnen viele andere Bürger. Der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen, IG Bergbau und Bergbauunternehmen einigten sich schließlich nach langem Ringen auf die neue Gesellschaft, die zu diesem Zeitpunkt 80 Prozent der deutschen Steinkohlenbergwerke umfasste. Mit rund 186.000 Mitarbeitern war sie der zweitgrößte Arbeitgeber im Land. In den folgenden Jahrzehnten nahm die Ruhrkohle AG auch noch die letzten verbliebenen Steinkohlenbergbau-Unternehmen auf. Der Zusammenschluss ermöglichte, den absehbaren Modernisierungs- und Anpassungsprozess in geordnete Bahnen zu lenken und den Arbeitsplatzabbau sozialverträglich zu gestalten. So stellte auch die damalige Bergbaugewerkschaft IG BE (Vorläufer der späteren IG BCE – Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie) ein Treiber der Einheitsgesellschaft dar. Durch sie gelang es, die Sozialverträglichkeit als Grundprinzip im neuen Unternehmen zu verankern.


Demonstrationen: Das „Band der Solidarität“

In den 1990er Jahren trug die Ruhrkohle AG den veränderten Verhältnissen innerhalb des Unternehmens mit einem Konzernumbau Rechnung. Entscheidend war dabei vor allem die Umfirmierung der Ruhrkohle AG in RAG Aktiengesellschaft, zu der fortan auch der Saarbergbau gehörte sowie die Neuausrichtung auf die Kernbereiche Bergbau, Energie, Chemie/Kunststoffe und Immobilien. Mit Übernahme der Preussag Anthrazit GmbH in Ibbenbüren waren schließlich sämtliche Steinkohlenbergwerke in Deutschland unter dem Dach der RAG vereint. Aufgrund der angespannten wirtschaftlichen Lage im Steinkohlenbergbau fanden Demonstrationen 1997 bei einer Massenkundgebung ihren Höhepunkt. 220.000 Menschen im Ruhrgebiet bildeten eine knapp 100 Kilometer lange Menschenkette – das „Band der Solidarität“. Auslöser waren geplante Subventionskürzungen der Politik, die zahlreiche Arbeitsplätze in Gefahr brachten. Bundesregierung, RAG und Gewerkschaft einigten sich jedoch auf den sogenannten Kohlekompromiss und somit auf ein Konzept für den Subventionsabbau, der Massenentlassungen verhinderte.


Trennung: Eine Zukunft in Schwarz und Weiß

Zu den großen Momenten der Unternehmensgeschichte gehört die Trennung von Schwarz und Weiß im Jahr 2007, also vom subventionierten Bergbaubereich und dem gewinnorientierten Beteiligungsbereich, der im Laufe der Jahrzehnte aufgebaut worden war. Der nicht kohlebezogene Bereich firmiert seitdem als Evonik Industries AG. 2008 erhielt auch der „schwarze“ Bereich neue Unternehmensstrukturen. Unter dem Dach der RAG Aktiengesellschaft sind seither RAG Deutsche Steinkohle, RAG Anthrazit Ibbenbüren, RAG Montan Immobilien und weitere Beteiligungen vereint. Mit den Veränderungen reagierte das Unternehmen auf das Steinkohlefinanzierungsgesetz, das im Dezember 2007 in Kraft trat. Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und das Saarland sowie die RAG AG und IG BCE hatten sich darauf verständigt, die subventionierte Förderung der Steinkohle in Deutschland zum Ende des Jahres 2018 sozialverträglich zu beenden. Die ursprünglich vorgesehene Option auf den Erhalt des Sockelbergbaus wurde bei einer Änderung des Gesetzes 2011 gestrichen. Der Auslauf des deutschen Steinkohlenbergbaus stand damit unumstößlich fest.



Umbruch: Ein Unternehmen im stetigen Wandel

Als die Ruhrkohle AG ihre Tätigkeit aufnahm, förderten die knapp 253.000 Bergleute zwischen Ruhr und Lippe, an der Saar und im Aachener Revier noch über 111 Millionen Tonnen Steinkohle. 2018 waren es gerade noch 3000 Mitarbeiter und 2,6 Millionen Tonnen. Von den ehemals 52 Bergwerken, 29 Kokereien und fünf Brikettfabriken blieben am Ende nur zwei RAG-Bergwerke erhalten, die dann 2018 als letzte schlossen. Prosper-Haniel und Ibbenbüren lieferten als Teil einer Ära Impulse für den wirtschaftlichen Aufstieg und technischen Fortschritt. Zu Zeiten des Wiederaufbaus und des Wirtschaftswunders in den 1950er-Jahren arbeiteten auf Prosper-Haniel mehr als 12.000 Menschen und in Ibbenbüren über 8000. In und um Ibbenbüren war der Steinkohlenbergbau der dominierende Wirtschaftszweig. Auch die Geschichte Bottrops wäre sonst anders verlaufen. Dank des Bergbaus entwickelte sich das einstige 4000-Seelen-Dorf zu einer Industriestadt mit mehr als 120.000 Einwohnern. Es zeugt vom verantwortungsvollen Handeln von Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften, dass diese schmerzhaften Umbrüche in den Kohlerevieren ohne soziale Verwerfungen vollzogen werden konnten. In Großbritannien oder Frankreich kam es dagegen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Grundlage dafür bildet seit fast 70 Jahren das Modell der Montan-Mitbestimmung, das den deutschen Steinkohlenbergbau und die RAG nachhaltig prägte.

Hinter den Bergbauregionen liegen schwere Zeiten. RAG setzte den politischen Auftrag des sozialverträglichen Ausstiegs aus dem Steinkohlenbergbau um und ist es gewohnt, mit schwierigen Situationen umzugehen sowie neue Lösungen zu suchen. Eine Konstante in der Unternehmensgeschichte bildete der stetige Wandel. Und deshalb hat RAG den Anspruch, auch weiterhin ein verlässlicher Partner für die Menschen in den Bergbauregionen zu sein. Das Unternehmen gestaltet die Zukunft an Ruhr und Saar aktiv mit und trägt dazu bei, dass die Reviere lebenswerte Regionen bleiben.

 

 

 


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