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Poldermaßnahmen

Bäche im Fluss halten

 

Die bergbaubedingten Veränderungen der Tagesoberfläche können verschiedene wasserwirtschaftliche Auswirkungen zur Folge haben. So kann sich das Gefälle eines Baches ändern. Er würde dann „rückwärts“ fließen und Mulden würden sich mit Wasser füllen.  Mit Pumpwerken lässt sich das Wasser heben, so dass die ursprüngliche Fließrichtung erhalten bleibt. Zudem kann an größeren Fließgewässern eine Erhöhung der Deiche zum Schutz vor Hochwasser erforderlich sein. Die Senkungen können auch zu Vernässungen führen, wenn sich der Abstand zwischen Grundwasserniveau und Tagesoberfläche verringert. Auch hier können Pumpen den Wasserstand regulieren. 


Diese Anlagen werden von Wasserverbänden betrieben. Als Mitglied der Verbände trägt die RAG die bergbaubedingten Kosten. Wasserwirtschaftlich unterteilt sich das Ruhrgebiet oberirdisch in einzelne Regionen, begrenzt durch die Einzugsgebiete von Lippe, Emscher, Ruhr und Rhein. Mit der Industrialisierung gründeten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wasserverbände zur gemeinsamen kommunalen und industriellen Wasserbewirtschaftung. 


In einigen Gebieten bringen die Veränderungen an der Tagesoberfläche auch positive Auswirkungen mit sich: Wassernahe Flächen sind in unserer Kulturlandschaft selten geworden. Sie bieten als naturnahe Biotope Pflanzen und Tieren Lebensraum und werden in Kooperation mit Behörden und Naturschutzverbänden erhalten.

Wie lange gibt es schon Pumpwerke im Ruhrgebiet?

Mehr als 100 Jahre wird im Ruhrgebiet gepumpt: Mit dem Aufschwung von Industrie und Bergbau ging im Jahr 1914 das Pumpwerk Alte Emscher in Duisburg als erste Polderanlage der Emschergenossenschaft in Betrieb.

In kurzen Abständen kamen weitere Pumpwerke in Bottrop, Gelsenkirchen und Dortmund hinzu. Die anfänglichen Schiffsdiesel-Antriebe wichen aus Kostengründen bald leistungsfähigen Elektromotoren. Bis 1930 betrieb die Emschergenossenschaft schon 13 Anlagen. Im Jahr 1933 lief das erste Pumpwerk des Lippeverbands in Bergkamen. Allein bis 1943 wurden 19 Pumpwerke neu errichtet: von Großanlagen mit einer Pumpenleistung von 7.750 Liter pro Sekunde bis zu kleinen Pumpenhäusern mit einem Durchsatz von bis zu 1.500 Litern pro Sekunde. In der Not der Nachkriegsjahre wurde Wirtschaftlichkeit zum zentralen Thema. Mithilfe des sogenannten Druckluft-Bauverfahrens, das sich als kostengünstig und zuverlässig erwies, entstanden noch größere Pumpwerke. Im Jahr 1965 gab es schon 63 genossenschaftliche Pumpwerke mit einer Gesamtleistung von rund 258.000 Liter pro Sekunde.

Mitte der Siebzigerjahre betrieb die Emschergenossenschaft 83 Pumpwerke. Das künstlich entwässerte Gebiet war auf 290 Quadratkilometer angewachsen. Dank Blockbauweise der Pumpen konnten neue Anlagen vereinfacht und normiert errichtet werden. Einige historische Pumpwerke sind heute Bestandteil der Route Industriekultur des Regionalverbands Ruhr.

Was gibt es für Pumpwerke?

Besonders drei große Wasserwirtschaftsverbände teilen sich im Ruhrgebiet die Aufgabe: Emschergenossenschaft, Lippeverband und die Linksniederrheinische Entwässerungs-Genossenschaft (LINEG) betreiben viele große und kleine Pumpwerke.

Große Unterschiede gibt es bei der Leistungsfähigkeit der Pumpwerke. Kleine Anlagen im Stromkastenformat füllen eine Badewanne in 30 Sekunden. Die Anlage in Gelsenkirchen-Horst fördert bei maximaler Leistung von ca. 900 Kilowatt 3.600 Liter, das entspricht dem Inhalt von 30 Badewannen, in einer Sekunde.  Zu welch enormen Leistungen die Pumpen fähig sind, zeigt sich am Beispiel des  leistungsstärksten Pumpwerks des Lippeverbands in Marl, das ein rund 8.000 Hektar großes Gebiet entwässert. Mit 3.840 Kilowatt ist die Anlage so stark wie ein ICE-Triebwagen und schafft bei Starkregen bis zu 20.000 Liter pro Sekunde. Übertroffen wird sie vom Pumpwerk Bottrop-Boye. Diese Anlage kann bei extremen Regenfällen in jeder Sekunde 42.000 Liter Wasser in die Emscher pumpen.

Unterschieden wird zwischen Bachpumpwerken, die den gesamten Abfluss eines Gewässers an den Rand eines Senkungsgebiets fördern, und Kanalisationspumpwerken. Letztere pumpen einströmendes Abwasser aus einer Senke im Kanal in den nächsten höhergelegenen Abwasserkanal. Außerdem gibt es auch Grundwasserpumpwerke, die den Grundwasserstand in Gebieten regulieren, in denen der Grundwasserspiegel zu nah an der Tagesoberfläche liegt.

 

Wie gestaltet die RAG Gewässer ökologisch um?

Bergbaubedingte Senkungen der Landschaft mit Ansammlung von Oberflächenwasser haben in einigen Fällen zur Bildung reizvoller, naturnaher Feuchtbiotope geführt. Als Schutzgebiete für Pflanzen und Tiere werden sie von der RAG in Kooperation mit Behörden und Naturschutzverbänden erhalten – und in einigen Fällen gezielt erweitert.

Mit dem Ende des Steinkohlenabbaus entwickelte sich beispielsweise nordöstlich von Dorsten innerhalb des Naturschutzgebiets Bachsystem des Wienbaches der Hervester Bruch: Feuchtgrünland und ein durch Bergsenkung entstandener See bieten hier neue Lebensräume für Vögel wie den Rohrsänger und die Bekassine sowie für Sumpfpflanzen wie Schilfröhricht und Rohrkolben. Zudem brütet im Hervester Bruch seit Jahren regelmäßig ein Weißstorchenpaar. Eine speziell für Besucher angelegte Erlebnisroute ermöglicht es, Tiere und Pflanzen aus der Nähe zu beobachten, ohne sie zu stören. Um den offenen Landschaftscharakter gezielt zu erhalten, werden Heckrinder zur Beweidung eingesetzt und starke Gehölzaufkommen beseitigt, sodass kein größeres Waldgebiet entsteht.

In Bergkamen lassen sich heute rund um den Beversee, der in einer Senke des Beverbachs entstanden ist, Libellen, Graureiher und Baumfalken beobachten.

Auch in der Nähe des Bergwerks Auguste Victoria in Marl ist mit Unterstützung der RAG ein wertvolles Biotop in einem Bergsenkungsgebiet geschaffen worden: Zwischen 2002 und 2006 wurde das Grabensystem "Im Loh" entwickelt, geplant und gebaut. Auf einer Länge von etwa vier Kilometern und einer Fläche von 200.000 Quadratmetern wurde hier ein Gewässernetz angelegt, das nach modernsten ökologischen Gesichtspunkten gestaltet ist. Seitdem haben sich Flora und Fauna positiv entwickelt: Eine artenreiche Vegetation mit mehreren Rote-Liste-Arten konnte sich ausbilden. Mit Dreistachligem und Neunstachligem Stichling sowie Groppe haben bereits drei Fischarten das System erobert. Zudem konnten 20 Libellenarten dokumentiert werden - und der Gesang der Nachtigall.

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Polderanlagen werden im Ruhrgebiet betrieben.

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Milliarde Kubikmeter Wasser werden pro Jahr im Ruhrgebiet gepumpt.

1914

ging das erste Pumpwerk der Emschergenossenschaft im Ruhrgebiet in Betrieb.